Robert Kramer

Ferdinand Robert Kramer wird am 20. Februar 1856 als Sohn des Strumpfwirkers Ferdinand Kramer und dessen Ehefrau Christiane Sophie geb. Naumann in Rochsburg (Königreich Sachsen, 20 km nordwestlich von Chemnitz) geboren, wo er am 24. Februar evangelisch-lutherisch getauft wird und 1862-1870 die Volksschule besucht.1 In der benachbarten Kleinstadt Burgstädt (15 km nördlich von Chemnitz) macht er seine dreijährige Lehrzeit als Schuhmacher, um sich als Geselle 1874 auf Wanderschaft durch Deutschland, Österreich und die Schweiz zu begeben. 1880 kehrt er nach Deutschland zurück und siedelt sich am 11. November 1880 in Mannheim, K 4, 15 an,2 wo er bis 1892 in seinem Beruf arbeitet.

Am 21. Juli 1884 heiratet er hier Wilhelmine Rehschütz (* 25.1.1858 Ulm – † 7.11.1938 Mannheim), Tochter des Fourier im 5. württembergischen Infanterie-Regiment Franz Kreutle aus Aulendorf und der Franziska Rehschütz aus Edelried, Gemeinde Zußmarshausen.3 Mit seiner katholisch getauften Frau hat Robert Kramer zwischen 1884 und 1904 neun Söhne und sechs Töchter (ein Sohn und eine Tochter sterben bereits im Kindesalter, den Sohn Otto Heinrich (geb. 1887) verliert die Familie 1916 im Ersten Weltkrieg).4

Mit der Arbeiterbewegung kommt Robert Kramer bereits in der Schweiz in Kontakt, wo er sich einem „Deutschen Arbeiterverein“ anschließt. In Deutschland zurück gehört er wohl alsbald der gewerkschaftlichen Organisation seines Berufs, dem „Verein Deutscher Schuhmacher“, an.5 Auch der unter dem Bismarck’schen „Sozialistengesetz“ seit 1878 verbotenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei tritt Kramer in Mannheim bei6 und führt vor Einrichtung eines hauptamtlichen Parteisekretariats die Kassengeschäfte des Ortsvereins. Nach dem Auslaufen des „Sozialistengesetzes“ gehört Robert Kramer 1890 zu den Gründern des lokalen Presseorgans der Sozialdemokratischen Partei, der „Volksstimme“.7

Um diese Zeit (1891) tritt die Familie auch zur Freireligiösen Gemeinde Mannheim über.8 Bereits 1891 erhält die Familie die badische Staatsangehörigkeit.9

1892 übernimmt Robert Kramer die Geschäftsführung des „Medizinalverbands Mannheim (Verein zur Beschaffung ärztlicher Hilfe und Arzneien)“.10 Unter dem „Sozialistengesetz“ diente der 1884 gegründete Verein auch als Auffangorganisation für die illegale Sozialdemo-kratische Arbeiterpartei, seit 1890 beschränkt er sich auf seine Funktion als Krankenkasse. Erstmals 1889 im Mannheimer Adressbuch verzeichnet, gibt der Medizinalverband 1890 eine Mitgliederzahl von 9.700 an, die sich rasch auf 18.000 (1893) steigert. Das langsame Absin-ken der Mitgliederzahl (1910: 12.000) deutet auf die schwindende Bedeutung gegenüber den Allgemeinen Ortskrankenkassen hin. Der Medizinalverband besteht jedoch bis 1933, Robert Kramer bleibt bis 1929 Geschäftsführer.11

1893 wird Robert Kramer für die SPD als Stadtverordneter in den Mannheimer Bürgerausschuss gewählt,12 dem er bis 1918 angehört. 1897 erfolgt die Wahl in die Zweite Badische Kammer (Landtag) für den Wahlkreis Mannheim II. Robert Kramer hat den Landtagssitz bis zum Ende des Großherzogtums Baden 1918 inne.

Robert Kramers Verwurzelung in der Arbeiterbewegung zeigen auch seine Mitgliedschaften in der Freien Turnerschaft sowie im Arbeiter-Sängerbund.13 Diese Einbindung lässt ihn auch nach 1933 klare Distanz wahren zum NS-Regime,14 ohne dass er – altersbedingt – aktiv am Widerstand gegen den Nationalsozialismus teilnimmt.

Bis April 1918 wohnt die Familie in T 3, 5; dann zieht sie (einige Kinder sind inzwischen verheiratet bzw. weggezogen) nach T 2, 16. Nach dem Tod seiner Frau nimmt Robert Kramer eine neue Wohnung in der Langen Rötterstr. 12-14. Vermutlich nach der Zerstörung seiner bisherigen Wohnung beim Luftangriff Ende September 1943 ist Robert Kramer seit 24.9.1943 auf dem Waldhof, Frohe Arbeit 3 gemeldet. Ab 15.2.1944 wohnt er im 110er Weg 44 (heute Anemonenweg).15

Robert Kramer stirbt drei Tage nach seinem 90. Geburtstag am 23. Februar 1946.


1 Vgl. Volksstimme 19.2.1926 „Zu Robert Kramers 70. Geburtstag“, in: StadtA MA, S 1/1954. Hier auch zum Folgenden. Vgl. auch Familienstammbuch Richard Kramer/Frieda Waibel (Privatbesitz Susanna Martinez).
2 Vgl. StadtA MA, Familienbogen Robert Kramer. 1893 wohnt er in S 2, 3 (s. Familienbogen); um 1900 zieht er nach T 3, 5.
3 Vgl. Familienstammbuch Richard Kramer/Frieda Waibel (Privatbesitz Susanna Martinez).
4 Vgl. StadtA MA, Familienbogen Robert Kramer u. Meldekarte Robert Kramer sowie StadtA MA, NL Richard Böttger, Zug. 16/1968, Nr. 33, Artikel zum 90. Geburtstag von Robert Kramer vom 21.2.1946 und briefliche Mitteilung von Robert Kramer, Augsburg, an Susanna Martinez 5.11.2003.
5 Vgl. Adolf Roth/Paul Thorbecke: Die badischen Landstände. Insbesondere die Zweite Kammer. Landtagshandbuch. Karlsruhe 1907, S. 112 f. Volksstimme 19.2.1926 „Zu Robert Kramers 70. Geburtstag“, in: StadtA MA, S 1/1954. Hier auch zum Folgenden.
6 In seinem SPD-Mitgliedsbuch aus den 1920er Jahren (StadtA MA, S 1/1954) ist als Eintrittsdatum 1.11.1884 eingetragen; Kramer dürfte aber bereits früher Verbindung zu den Sozialdemokraten gesucht haben.
7 Vgl. Zur Geschichte der Sozialdemokratischen Partei in Mannheim 1867-1906. Den Delegierten zum Parteitag 1906 gewidmet vom Mannheimer Komitee (Faksimiledruck hg. v. Stadtarchiv Mannheim, 1975), S. 14.
8 Das genaue Datum ist nicht bekannt. Auf dem 1880 angelegten Familienbogen sind noch „ev.“ bzw. „k.“ als Religion für die Eltern Robert und Wilhelmine Kramer eingetragen. In dem vermutlich 1891 neu angelegten Familienbogen lauten die entsprechenden Eintragungen „ev. freirel.“ bzw. „kath. freirel.“, wobei „freirel.“ von anderer Hand später hinzugefügt ist. Auffällig ist, dass die Kinder seit 1890 keinen zweiten Vornamen mehr tragen. Das könnte darauf hindeuten, dass seither keine Patennamen mehr dem Vornamen hinzugefügt wurden, da die Kinder nicht mehr getauft wurden.
9 Vgl. Abschrift der Aufnahme-Urkunde Nr. 51528 in: StadtA MA, Familienbogen Robert Kramer.
10 Vgl. Volksstimme 19.2.1926 „Zu Robert Kramers 70. Geburtstag“, in: StadtA MA, S 1/1954. Hier auch zum Folgenden.
11 Vgl. Adressbücher der Stadt Mannheim.
12 Das bei Adolf Roth/Paul Thorbecke: Die badischen Landstände. Insbesondere die Zweite Kammer. Landtagshandbuch. Karlsruhe 1907, S. 113 genannte Datum 1892 ist unzutreffend; die Wahl fand 1893 statt, vgl. Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart. Jubiläumsgabe der Stadt. Bd. 3: Mannheim seit der Gründung des Reiches 1871-1907. Mannheim 1907, S. 70 f.
13 Vgl. Volksstimme 19.2.1926 „Zu Robert Kramers 70. Geburtstag“, in: StadtA MA, S 1/1954. Kramers Sohn Ferdinand (geb. 1891) war 1920-1933 1. Vorsitzender der Freien Turnerschaft.
14 Richard Böttger schreibt in seinem Artikel zum 90. Geburtstag von Robert Kramer: „Während der Nazizeit – bereits 80jährig – zählte er zu den Aufrechten; er war zugleich ihr Vorbild und Symbol.“ StadtA MA, NL Richard Böttger, Zug. 16/1968, Nr. 33, Artikel zum 90. Geburtstag von Robert Kramer, 21.2.1946.
15 Vgl. StadtA MA, Meldekarte Robert Kramer.

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